Wer sich schon in Santa Marta aufhält sollte es sich nicht entgehen lassen einen Besuch der Kaffeefarm Hacienda La Victoria abzustatten. Diese Farm befindet sich versteckt in einem Seitental der Ausläufer der Sierra Nevada Santa Marta ca. 2 ½ Stunden Fußmarsch von Minca entfernt. Oder buchen sie in Santa Marta eine geführte Tour. Mit dem eigenen Auto zu fahren rate ich ab, wenn sie nicht gerade einen Jeep haben.
In Santa Marta findet man in der Altstadt praktisch an jeder Straßenecke Straßenverkäufer, die solche Touren über ein Touristikbüro anbieten. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Die Farm hat eine Größe von 700 Hektar. Die Hacienda liegt wunderschön gelegen im Talboden durch dem ein kleiner Bach fließt. Sowohl das Hauptgebäude wie die Nebengebäude darunter eine kleine Brauerei sind von tropischen Pflanzen und wunderschönen Blumen umgeben. Vom Parkplatz erreicht man das Hauptgebäude und zugleich die Kaffeefabrik durch einen fünf minütigen Spaziergang.
Am Empfang wird jeder Besucher mit einem köstlichen selbstproduzierten Kaffee bewirtet. Wer Appetit hat kann sich noch eine köstliche Bananentorte dazu holen. Die Führung wird leider nur in Spanisch oder Englisch angeboten. Wir haben mehr Glück als Verstand – die Besitzerin Frau Claudia Weber spricht perfekt Deutsch. Als sie hört das eine kleine Gruppe interessanter aus Deutschland hier sind, verschiebt sie einen Termin in Santa Marta und gibt für uns eine Führung in Deutsch.
Claudia spricht perfekt akzentfrei Deutsch und nach ihren ersten Worten spürt man sofort in ihren Worten stecken eine Menge Humor und tiefe liebe zu den Ort wo sie lebt und arbeitet. Ihr Mann Micky Weber geboren in Hamburg hat diese Farm von seinen Eltern übernommen, die sie 1950 von Engländern erworben haben.
Die Kaufsumme wurde wie Claudia schmunzelnd sagte, in Naturalien, nämlich in Kaffeebohnen abbezahlt. Als Micky die Plantage übernahm stand sie kurz vor dem aus. Hervorgerufen durch den innerstaatlichen militärischen Konflikt mit der FARC. Dieses Gebiet kontrollierten die Paramilitärs. Mit dem Geld was er in Mexiko verdiente baute er den Betrieb wieder auf.
Kolumbien gehörte 2017 mit 754.376 Millionen Tonnen zu den drei führenden Kaffeeproduzenten der Welt.(1) Intressant dabei ist, das Südamerika nicht das Ursprungsland des Kaffees ist. Die Kaffeepflanze stammt aus Afrika. Es wird angenommen, dass die Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens das Ursprungsgebiet des Kaffees ist. Entsprechend einer Legende sollen es Hirten gewesen sein, denen die belebende Wirkung bei den Ziegen, die die Beeren gefressen haben, aufgefallen ist und dann selbst probierten.
Von Äthiopien gelangte der Kaffee vermutlich im 14. Jahrhundert durch Sklavenhändler nach Arabien. Geröstet und getrunken wurde er dort aber wahrscheinlich erst ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Kaffeeanbau brachte Arabien eine Monopolstelle ein. Handelszentrum war die Hafenstadt Mocha, auch Mokka genannt, das heutige al-Mukha im Jemen. Die äthiopische Zubereitungsart und Kaffeetradition sind wohl die ursprünglichste. Nach dem Rösten der Bohnen in einer großen Eisenpfanne werden diese grob gemahlen oder im Mörser zerstampft. Das Mahlgut wird mit Wasser und Zucker in der sogenannten Jabana, einem bauchigen Tonkrug ähnlich einer Karaffe, aufgekocht und in kleinen Schalen serviert.
Das Wort Kaffee lässt sich bis auf das arabische qahwa zurückverfolgen, das neben Kaffee auch Wein bezeichnen kann. Über das Türkische "kahve" gelangte es ins Italienische (caffè) und von dort ins Französische, dessen Wortform (café) ohne große lautliche Änderungen ins Deutsche übernommen und nur in der Schreibweise angepasst wurde. Der vornehmen Gesellschaft von Versailles soll der türkische Gesandte Soliman Aga 1669 erstmals Kaffee serviert haben.
Coffea-Arten sind immergrüne, kleine Bäume oder Sträucher. Es werden vielblütige, zymöse Blütenstände gebildet. Die duftenden, zwittrigen Blüten sind vier- bis neunzählig. Die Kaffeekirschen oder Kaffeebeeren genannten Steinfrüchte schmecken fruchtig süß, besitzen aber sehr wenig Fruchtfleisch. Dieses ist umgeben von einer dicken, weichen Schale. Unter der Fruchtpulpe befindet sich das von Schleim umgebene Pergamenthäutchen. Darunter liegt das Silberhäutchen, das die Samen bedeckt. In der Frucht befinden sich meist zwei Samen, die so genannten Kaffeebohnen. Gelegentlich bildet sich auch nur ein Samen aus, welcher dann Perlbohne genannt werden.
Von den derzeit 124 bekannten Arten an Kaffeepflanzen werden in erster Linie die als Plantagenpflanzen bevorzugten Arabica-Kaffee und Robusta-Kaffee angebaut. Es kommen aber die Bohnen von mindestens fünf weiteren Arten in den Handel. Kolumbianischen Kaffee eilt der Ruf voraus, ein echter Gourmetkaffee zu sein, es wird nur Arabica angebaut, kein Robusta. Die Kaffeepflanze wurde vor etwa 200 Jahren von den französischen Antillen nach Kolumbien gebracht.
Claudia führt uns in das Produktionsgebäude und voller Stolz erzählt sie die Geschichte dieser Farm. La Victoria ist eine der größten und ältesten Kaffeefarmen im Norden Kolumbiens. Im Jahr 1892 wurde die Victoria Coffee Company gegründet. Gründer sind eine Vereinigung von fünf Investoren, darunter das Gründungspaar, Mr. Charles & Mrs. Alice Bowden, englischen Ursprungs und treue Anhänger ihrer Königin Victoria. Sie kamen nach Kolumbien, um an den Aufbau der Eisenbahn zu arbeiten. Das Anwesen umfasste ursprünglich 1223 Hektar in einem Gebiet, das vor Jahrhunderten von indigenen Gemeinschaften der alten Tayrona-Zivilisation bewohnt wurde.
Entsprechend den geographischen Bedingungen wird in dieser Farm der Kaffee in einer Höhe zwischen 800 und 1400 m.s.n.m angebaut. Der Anbau erfolgt traditionell im Schatten umstehenden großen Bäumen. Bei dieser Methode bleibt im Unterschied der großen Monokulturen ein Teil des natürlichen Lebensraum erhalten, was mit einer deutlich höheren Artenvielfalt einhergeht.
Die Bowdens entwickelten ein System von Pipelines, die Wasser aus den zahlreichen Bächen des Hofes verwenden, um Kaffee aus entlegenen Gebieten zu sammeln und die Maschinen der Kaffeefabrik mit Strom zu versorgen. Dank dieser Innovationen wurde die La Victoria Coffee Company 1921 mit einer jährlichen Produktion von 200.000 kg zu einem der führenden Kaffeeproduzenten in der Region.
Nach drei bis vier Jahren trägt der Kaffeestrauch zum ersten Mal Früchte. Die Erntezeit beträgt etwa zehn bis zwölf Wochen da die Bohnen unterschiedlich reif werden. Wann geerntet wird hängt von der Lage des Anbaugebiets ab. Hier auf der Farm ist die Erntezeit zwischen Oktober und Januar. Die Reifezeit der Kaffeekirschen beträgt neun bis zehn Monate. Im Laufe der Reifezeit ändern die Kirschen ihre Farbe von grün über gelb zu rot. Erst wenn sie rot sind, bilden die Kirschen die Grundlage für aromatischen Rohkaffee und werden geerntet.
Während der Erntezeit reichen die festangestellten Arbeitskräfte nicht aus. In dieser Zeit kommen hunderte von Erntehelfern zum Einsatz. Auch hier gibt es ähnliche Probleme wie mit den Erntehelfern in Deutschland. Es ist schwer gut Arbeitskräfte zu finden.
Seine ca. 60 fest angestellten Arbeiter wohnen mietfrei auf seinen Anwesen. Für ihre Kinder organisieren die Webers eine Schule mit Internetanschluss.
Sie erzählt weiter, echtes Geschäft ist mit Kaffee nicht mehr zu machen. Im Grunde sind sie gegenüber den großen Monokulturen wettbewerbstechnisch im Nachteil. Es bedarf einen großen arbeitstechnischen Aufwand in diesem unzugänglichen bergigen Gelände die Bäumchen zu pflegen und die Kaffeebohnen zu ernten. Was bei den großen Kaffeeplantagen mit Maschinen erledigt werden kann muss hier mit Hilfe des Wassers und der Hand erfolgen.
Der Markt für Kaffee ist überaus schwierig geworden und das weltweit, nicht nur in Kolumbien. Der Preis für den Kaffee wird an internationalen Börsen festgelegt, die Bauern können nie im Vorab kalkulieren, was ihnen die Ernte einbringen wird. „Kaffee trägt sich nicht mehr, er ist im Anbau zu teuer, die Anbaukosten liegen in der Regel höher als der Ertrag. Wer heute noch Kaffee anbaut, der muss entweder ein Riesen-Idiot sein oder ein Riesen-Idealist“ Aktuell wird auf 180 Hektar Kaffee angebaut. Die Ernte schwankt zwischen 120 Tonnen in guten Jahren und 50 Tonnen in schwachen Jahren.
Idealisten sind die Webers – sie wollen die Tradition des Kaffeeanbaus hier in Sierra Nevada de Santa Marta nicht aufgeben. Hacienda La Victoria ist mehr als eine Kaffeefabrik, es ist ein Museum. Die hier arbeitenden Maschinen, sind die Originalmaschinen und sind seit 1892 im Einsatz. Originale Ersatzteile gibt es nicht mehr. Hier sind Erfindungsreichtum und eine Menge handwerkliches Geschick gefragt. Ihre beiden festangestellten Techniker haben beides davon.
Beim weiteren Rundgang durch die Fabrik kommt Claudia ins Schwärmen. Die geernteten Kaffeekirschen werden alleinig durch die Wasserkraft zur Fabrik transportiert. Dazu wurden ein ganzes Netzwerk von Wasserleitung geschaffen, die den Kaffee zur Aufbereitungsanlage transportieren. Bei der Aufbereitung werden zur Gewinnung des Rohkaffees die Fruchthaut, das Fruchtfleisch (auch Pulpe genannt), der auf dem Pergamenthäutchen befindliche Schleim, das Pergamenthäutchen und – soweit möglich – auch das Silberhäutchen entfernt. Das kann auf trockenem Weg wie auch auf nassem Weg erreicht werden.
Diese Farm führt die Nassaufbereitung durch. Mit der Nassaufbereitung wird möglichst innerhalb von 12 Stunden, spätestens 24 Stunden nach der Ernte begonnen. Zunächst wird mit Wasser vorgereinigt und durch Schwemmen vorsortiert. Dann wird in einem „Entpulper“ die Fruchthaut und die Pulpe abgequetscht, das Pergamenthäutchen und daran anhaftender Schleim bleiben an den Kaffeebohnen.
Durch einen Schwemmkanal und durch Siebe werden die Bohnen in Fermentationsbehälter transportiert. Dort findet eine Gärung die sogenannte Fermentation statt, wobei der Schleim verflüssigt und damit abwaschbar wird. Nach 12 bis 36 Stunden Fermentation werden die Bohnen gewaschen, dann zum Trocknen mit Heißluft ausgebreitet und bis zu einem Wassergehalt von etwa 12 % getrocknet. Für die Nassaufbereitung werden je Kilogramm marktfertigen Rohkaffee 130 bis 150 Liter Wasser benötigt.
Nach der Aufbereitung sind die Kaffeebohnen noch vom Pergamenthäutchen umgeben (sogenannter „Pergamentkaffee“). Durch Schälen wird das Pergamenthäutchen und soweit möglich auch das Silberhäutchen entfernt. In einer Schlussbehandlung werden noch enthaltene Verunreinigungen abgetrennt und die Bohnen nach Größe und Qualität sortiert. Das ergibt den marktfertigen Rohkaffee.
Um Rohkaffee genießbar zu machen, werden die Bohnen geröstet. Allgemein versteht man unter Rösten das trockene Erhitzen der Kaffeebohnen, üblicherweise unter atmosphärischem Druck. Hierbei durchläuft das Röstgut unterschiedliche chemische und physikalische Prozesse, durch die die röstkaffeespezifischen Farb-, Geschmacks- und Aromastoffe gebildet werden.
Bereits bei 60 °C beginnt der Röstvorgang und endet im traditionellen Röstverfahren bei ca. 200–250 °C. Sorte und Qualität der Rohkaffeebohnen, sowie Röstzeit und Temperatur bestimmen den Röstgrad und beeinflussen im Wesentlichen Aromabildung, Entwicklung der Geschmacksstoffe und Bekömmlichkeit. Helle Röstungen führen zu einem eher säuerlichen, aber weniger bitteren Geschmack, während dunklere Röstungen leicht süß, aber bitter schmecken.(2)
Was ist aber mit dem vielen Abfall, der das so übrigbleibt? Der wird nicht entsorgt wie vielleicht manche glauben wollen. Ein Teil wird als Erde für die Anzucht neuer Kaffeepflanzen verwendet. Der andere Teil wird an Gärtnerrein verkauft. Das verwundert mich nicht, als Hobbygärtner weiß ich das der Kaffeesatz ausgezeichneter Dünger ist.
Nun ist es so, dass man mit Frau Weber sich nicht nur über Kaffee unterhalten kann. Sie besitzt auch über umfangreiches Wissen über die Flora und Fauna des Gebietes. 80% des Besitzes ist als Naturschutzgebiet ausgeschildert. Bei dieser Ananaspflanze diskutieren wir wieso es uns zuhause nicht gelingt eine selbst hoch zu ziehen und hier wachsen sie einfach ungewollt. Die Hauptursache liegt wohl darin das unsere erhältlichen Pflanzen überzüchtet sind.
Es ist daher auch nicht verwunderlich das die Familie Weber den Ökotourismus für sich erschlossen haben. Das Reservat schafft wunderbare Möglichkeiten für Vogelbeobachtungen oder ein Streifzug durch die wundervolle Pflanzenwelt.
Der Einfallsreichtum dieser Familie ist damit noch nicht erschöpft. Sie haben Jonas Kohberger, einen Bierbrauer aus Oberbayern, nach Minca geholt. In mitten der historischen Hacienda betreibt er eine kleine Brauerei, die streng nach dem deutschen Reinheitsgebot arbeitet und Malz aus Bamberg verwendet. Die Nachfrage nach „Crafts Beer“, das sich von den gängigen Fabrikbieren unterscheidet, steigt ständig.
Der Genuss ist unbeschreiblich, wenn das kühle Getränk durch die Kehle läuft.
Für uns war es ein erlebnisreicher und interessanter Tag. Ich kann nur jeden empfehlen der Zeit hat und sich um Santa Marta aufhält diese Farm zu besuchen.
.(1) Produktionsstatistik der FAO für 2017, abgerufen 13.01.2020
(2) Gerhard A. Jansen: RÖSTEN von Kaffee - Magie - Kunst - Wissenschaft. 2006, S. 14
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